Die Sonne berührt bereits den Horizont, als Sie im Hafen von Nida auf die Yacht steigen. Das Wasser der Lagune verwandelt sich in flüssigen Bernstein und der Himmel wird zu einem riesigen Buntglasfenster, in dem sich Orange, Rot und Violett vermischen.
Der Kapitän, dessen Gesicht vom Wind gegerbt und von der täglichen sengenden Sonne gezeichnet ist, startet leise den Motor. Die Häuser von Nida, bisher hell und verspielt, werden allmählich zu dunklen Silhouetten im Vorspiel der Nacht.
Die Yacht gleitet aus dem Hafen. Der Leuchtturm von Nida, tagsüber nur ein weißer Punkt am Horizont, wird jetzt zu einer Lichtsäule, die den Weg in die Nacht weist. Die Segel entfalten sich mit einem sanften Rascheln, wie ein riesiger Vogel, der seine Flügel zum letzten Flug ausbreitet.
Die Kurische Nehrung erinnert jetzt an den Rücken eines schlafenden Drachen - dunkel, geheimnisvoll, wellenförmig. Die Dünen, tagsüber golden, nehmen im Abendlicht eine kupferne Färbung an. Die Lagune wird zu einem Spiegel, der das Feuer des Himmels und die ersten Sterne reflektiert.
Möwen, wie weiße Konfetti im dunklen Himmel, tauchen ein letztes Mal in die Luft, bevor sie zur nächtlichen Ruhe kommen. Ihre Schreie klingen jetzt wie ferne Flötentöne in der Symphonie der Nacht.
Die Parnidis-Düne erscheint vor Ihren Augen wie eine riesige Sanduhr, die nicht Stunden, sondern die Ewigkeit misst. Ihre Hänge werfen lange Schatten über das Wasser, wie dunkle Finger, die nach Ihrer Yacht greifen. Das Tal der Stille sieht jetzt aus wie ein Tor zu einer anderen Welt, wo der Thron der Königin Neringa Geheimnisse bewahrt, die nur der Nacht bekannt sind.
Die Sonnenuhr auf der Spitze der Düne ähnelt jetzt einem Speer, der in den Himmel gestoßen wird, und markiert ein letztes Mal den Fluss der Zeit, bevor sie den Sternen und dem Mond weicht.
Die Yacht gleitet über das Wasser wie ein Schatten und enthüllt die Große Düne vor sich - einen riesigen Sandberg, der jetzt wie eine dunkle Wolke zwischen Himmel und Erde schwebt. Ihre Konturen verändern sich mit jeder Bewegung der Sonne, als ob ein lebendes Wesen atmen und sich bewegen würde.
Wenn Sie näher kommen, wächst die Große Düne zu unglaublichen Ausmaßen. Ihre Hänge ähneln jetzt den Rollen alter Pergamente, in die die Geschichte der Kurischen Nehrung eingraviert ist. Der Sand ist hier nicht mehr golden, sondern dunkelbronze mit Schattierungen von Violett und Purpur.
Vom Wind getragene Sandkörner sehen jetzt aus wie Funken, die von einem riesigen Lagerfeuer fliegen. Sie küssen sanft die Haut und erinnern an die Zerbrechlichkeit der Zeit und den ewigen Wandel der Dünen.
Beim Halt an der Düne umgibt Sie eine Stille, so tief, dass es scheint, als könnten Sie die Sonne beim Untergehen hören. Das Rauschen der Wellen erinnert jetzt an den fernen Klang einer Glocke, die das Ende des Tages verkündet. Die gelegentlichen Rufe der Möwen klingen wie die letzten Seufzer des Tages.
Die Geschichte des Kapitäns über das Grobštas-Reservat klingt jetzt wie eine alte Legende, die über die Jahrhunderte weitergegeben wurde. Seine Worte weben eine Erzählung von nachtaktiven Tieren, mysteriösen Sandtänzen im Mondlicht und Sternenspuren über den Dünen.
Als die Sonne vollständig untergegangen ist, verwandelt sich die Große Düne in eine schwarze Silhouette gegen den immer noch leuchtenden Himmel. Sie erinnert an eine riesige Skulptur, die von der Natur über Tausende von Jahren geschaffen wurde und nun bereit ist, ihre nächtlichen Geheimnisse zu offenbaren.
Auf dem Rückweg nach Nida schneidet die Yacht durch das dunkler werdende Wasser und hinterlässt eine silberne Spur - wie die Milchstraße, die in die Lagune gefallen ist. Die letzten Sonnenstrahlen färben den Himmel in Farben, für die selbst Künstler keine Namen haben.
Diese kurze Reise fühlt sich wie eine Brücke zwischen den Welten von Tag und Nacht an. Sie kehren mit dem Gefühl an Land zurück, an einem alten Ritual teilgenommen zu haben, bei dem die Sonne ihre Herrschaft an die Nacht übergibt und die Dünen die ewigen Geheimnisse der Kurischen Nehrung bewachen.